Samstag, 13. Oktober 2007

Zwei Monate Bolivien ODER: A mal tiempo, buena cara

¡Hola!
Nachdem ich letztes Wochenende leider nicht Zeit hatte, euer Wissen upzudaten, diesmal die News von zwei Wochen.
Nachdem ich nach der Sieben-Stunden-Reise aus La Paz heil in Llallagua angekommen war, testete ich am Sonntag noch die Kuenste der lokalen Handwerker. Beim Innenfutter meiner Daunenjacke war eine Naht aufgegangen und ich hatte schon Angst, dass ich nun Nadel und Zwirn auspacken und mit meinen zwei linken Hand diesen Schaden naehen muesste. Ich bin dann aber doch zu einem Schneider getrottet und war gluecklich, dass ich nach einer halben Stunde und 60 Cent weniger meine makellose Jacke wieder in den Haenden halten konnte. Eines weiss ich, bei diesen Stundensaetzen werde ich sicher kein einziges Mal in diesem Jahr eine Nadel angreifen!
Naechste Schwierigkeit: Als gaumenverwoehnter Oesterreicher wollte ich nun zu Butter (keine Margarine!) OHNE (nicht mit!) Salz kommen. Leider gibt es aber diese nur in einem Geschaeft in Llallagua zu kaufen, da hier die einheimische Bevoelkerung, wenn ueberhaupt, nur Margarine oder Butter mit Salz isst. Die Butter, die sie mir verkaufen wollten, war aber seit mehr als zwei Monaten abgelaufen. Als ich reklamierte, sagte die Geschaeftsinhaberin, dass der doch noch bis Ende 2009 haelt - sie irrte: 09:25 war der Produktionszeitpunkt! Ich wies sie auf ihren Irrtum hin, doch sie meinte es gaebe nur diese, und wenn mir das nicht passt, gibt es gar keine. Na gut, dann werde ich mich eben mit Butter MIT Salz zufriedengeben.
Am 1. Oktober wird in Bolivien der "Día del Árbol" (Tag des Baumes) gefeiert und wir nutzten diese Moeglichkeit, um ueber die Wichtigkeit von Baeumen und einer sauberen Umwelt zu sprechen. Die Kinder haben keine Ahnung, ob eine Plastiktuete oder eine Bananenschale der Umwelt schadet! Waehrend der gesamten Woche zeichneten die Becados "ihren" Baum und wir stellten alle Bilder im Buero zu Schau. Fuer die besten Bilder habe ich auch kleine Preise gekauft, aber leider wurde die Preisverleihung verhindert - dazu aber spaeter!
Am Mittwoch Abend musste eine Becada verzrtet werden, die sich bei der Tuer den Kopf aufgeschlagen hatte. Aufgeregt kam ein Haufen Kinder angerannt und berichteten so ueber die Wunde, dass man glauben koennte, dass Maedchen haette sowieso keine Ueberlebenschance. Gladys, die ja zum Glueck Krankenschwester ist, bereitete ihre Instrumente zum Naehen vor - klingt fuer Oesterreich vielleicht wild, wenn es aber sie nicht macht, naeht die Wunde sicher keiner, denn zum naechsten Arzt sind es mehr als drei Stunden. Im Endeffekt war es dann eine kleine Platzwunde, die mit einem Plaster verarztet wurde!
Am Freitag - nach meiner ersten vollstaendigen Woche in Tomaycuri - war auch die Reise nach Llallagua wieder ein Abenteuer. Zuerst einmal eine Stunde nach Macha auf der Ladeflaeche eines LKWs, der Schuttersaecke transportierte - viel Staub und Wind, aber wenigstens hatten die anderen Mitreisenden eine Sache zum Ueberlegen: Was macht der Gringo auf dem LKW? Danach gingen wir, das heisst Gladys, ihre Tochter und ich, eine halbe Stunde bis zur naechsten Kreuzung, wo wir wieder auf eine "Movilidad" (Mitfahrgelegenheit) warteten. Zum Glueck nahm uns ein LKW, der Kekse transportierte, mit. Der Junge des Fahrers wurde auch zu uns auf die Ladeflaeche verfrachtet, damit er aufpasse, dass wir ja keine Kekse essen wuerden. Doch der Schrecken war noch nicht vorbei: Von Pocoata bis Llallagua - zweieinhalb Stunden - fuhren wir in einem "Trufi" (Kleinstbus) - kein Platz fuer Fuesse, heiss, stickig, der Nachbar schlaeft wie ein Baby auf deinen Schultern - fix und fertig um acht Uhr abends in Llallagua angekommen. Dort war zum Glueck schon Andreas, der andere Volontaer der Fundación - beim Abendessen und dem Bier danach, machten wir eine ausfuehrliche Nachbesprechung unserer Erlebnisse. Einfach super mit jemanden, der ungefaehr das gleiche wie du selbst erlebt, zu reden und sich auszutauschen!
Am Sonntag mussten ich dann schon mit dem Bus um 8 Uhr fahren, da der um 10 diese Woche nicht in Llallagua angekommen ist - keiner weiss wo er steckt, habt ihr ihn vielleicht in Oestereich gesehen? Bei dieser Fahrt gab mir Gladys auch noch einen wichtigen Tipp: A mal tiempo, buna cara - was soviel heisst, auch wenn das "Wetter" schlecht ist, mach ein frohes Gesicht!
Am Montag vergangene Woche erklomm ich dann unseren Hausberg - tolle Aussicht, nur ziemlich viel Wind und leider bin ich mit der rechten Hand in das "Paja" ("Gras" - siehe Fotos) gefallen und jetzt habe ich lauter kleine Wunde, die teilweise zu eitern beginnen, da sich noch die Spitzen dieser Pflanze darin befinden.
Am Dienstag war dann eine Besprechung mit der Verantwortlichen der Fundación Pueblo von Norte Potosí, dem Subalcalde von Macha ("Vize-Buergermeister"), den Anfitrionas (Gastmuetter) und den Eltern der Becados. Der Grund der Versammlung war, wie so oft, das liebe Geld: Mehr SchuelerInnen als erwartet und mehr gehaltene Schultage (kalkuliert wird mit 16 Schultagen im Monat - in Tomaycuri sind es durchschnittlich 21) und dadurch reicht das Geld bis zum Jahresende nicht. Wenn nicht das Municipio (Bezirk) noch das fehlende Geld zuschiesst, koennte es sein, dass das Programm Ende November beendet wird und erst wieder im Februar neu beginnt. Wo die Becados die letzten zwei Schulwochen unterkommen sollen, wird gerade noch ueberlegt. Hoffentlich bekommen wir das fehlende "Plata" (Geld)!
Am Mittwoch erwarteten wir fuer ein Uhr das Auto der Fundación, in dem sich Barbara, die Lehrerfortbildungen machen sollte, Rosa, die Supervisorin des Programms und Alex, der Chauffeur befanden. Um 5 Uhr, als wir gerade die Bilder der Becados praemieren wollten, kamen sie dann an - fix und fertig und mit kaputten Auto. Sie hatten auf dem Weg nach Tomaycuri einen Unfall mit einem LKW - zum Glueck wurde niemand schwer verletzt. Barbara hatte allerdings mit dem Kopf die Windschutzscheibe zertruemmert und hatte dadurch ziemliche Schmerzen. Auch Alex hatte durch den Aufprall auf das Lenkrad Schmerzen im Brustbereich. Um die Situation fuer die beiden zu verbessern, gingen wir auf die Krankenstation in Tomaycuri, wo die beiden jeweils eine Spritze gegen die Schmerzen vom Krankenpfleger bekamen - Kosten: je 35 Cent.
Da Barbara schnellstmoeglich in ein Spital wollte, um sich untersuchen zu lassen, traten wir schon am Mittwoch um 8 Uhr abends unsere Reise nach Llallagua an. Zuvor musste allerdings noch der Kotfluegel ausgebeult werden, der durch den Unfall den Reifen streifte - bei solchen "Notfaellen" merkt man wie die Bevoelkerung am Land zusammenhaelt: Angefangen von den Lehrern ueber die Dorfautoritaeten halfen alle mit um das Auto soweit zu "reparieren", dass wir bis Llallagua kaemen.
In Macha war ich dann das erste Mal auf einer bolivianischen Polizeistation, wo der Unfall protokollierten wurde. Fuer den Polizisten, den wir um 10 Uhr abends geweckt hatten, war das Wichtigste, dass seine Uniform perfekt sitzt. Auch der LKW-Fahrer war anwesend und so diskutierte man, wer nun die Schuld hatte. Anscheinend soll auch nicht der Fahrer gefahren sein, sondern sein Gehilfe, der natuerlich keinen Fuehrerschein besitzt. Auch der Fahrer hatte nur den B-Fuehrerschein und lenkte ein C-Fahrzeug, was aber ganz einfach egal war - er hatte zumindest irgendeinen Fuehrerschein! Um 4 Uhr morgens kamen wir nach einer nervenaufreibenden, beinahe 7-stuendigen, Fahrt - alle paar Kilometer musste wir anhalten und den Motor, der immer wieder heiss wurde, mit Wasser kuehlen - in Llallagua an und ich fiel halb tot auf meine Matratze
Am Donnerstag war unser Glueckstag: Da die Fundación ein anderes Zimmer in Llallagua gekuendigt hatte, bekamen wir eine komplette Zimmereinrichtung fuer unser trautes Heim in Llallagua - sogar ein Radio war dabei! Auch zwei Bettgestelle haetten wir bekommen, die wir aber dankend ablehnten, da wir froh sind, zumindest am Wocheende auf einer harten Matratze (liegt nur am Boden) schlafen zu koennen, weil diese im Dorf mehr als genuegend weich sind. Zusaetzlich bekamen wir noch jeweils zwei zusaetzliche Decken - wir hatten uns zwar jeweils eine gekauft, aber nach einer kalten Nacht, wussten auch die Gringos, dass das nicht ausreicht! Mit drei Decken schlaeft sich nun endlich gut und vor allem warm!
Gestern besichtigte ich noch ein bolivianisches Landkrankenhaus: Die Sekretaerin der Fundacón hatte vorgestern ihr Baby zur Welt gebracht und so statteten wir ihr einen Besuch ab. Obwohl ich gar nicht soooo interessiert war, das Baby zu sehen, fuhr ich trotzdem mit, um einmal das Innere eines Krankenhauses zu sehen. Das Krankenhaus ist wirklich klein (hoechstens 25 Betten) und nicht wirlich gut ausgestattet - aber es gibt zumindestens Aerzte dort!
Nach diesem ausfuehrlichen Bericht, folgt noch der Link zu den Fotos:
Oktober - 2 Monate Bolivien


Zuletzt nochmal der Link zu der Homepage meiner Organisation, Fundación Pueblo, die gerade aktualisiert wurde: www.fundacionpueblo.org
Uebringens: Das Foto zum Bericht "Besuch von CEPAL" ist von mir!
Liebe Gruesse,
¡hasta pronto!,
Andreas

Keine Kommentare: