Samstag, 29. September 2007

Wieder einmal aus La Paz!

¡Hola a todos!
Am letzten Sonntag musste ich wieder einmal feststellen, dass Zeit hier andere Einheiten hat: Abgemacht waere gewesen, dass wir um 10 Uhr mit einem Lehrer von Llallagua nach Tomaycuri fahren - Abfahrt war schliesslich, nachdem wir auch noch zu Mittag gegessen hatten, um 1 Uhr! Anmerkung zum Mittagessen: Wir assen Chicheron, gekochtes Schweinefleisch auf Mais und mit Bratkartoffeln, und das aber ohne Besteck, sondern nur mit den Fingern! Wer mich kennt, weiss, dass ich dem aber gar nicht so abgeneigt bin! ;-)
In Tomaycuri war am Sonntag ein "grosses" Fest: Was gefeiert wurde, habe ich leider nicht herausgefunden, aber das Wichtigste, zumindest fuer die Einwohner war, stockbesoffen zu sein. Nicht wie in Oesterreich, wo eben eine(r) - oder auch mehrere - den Festrausch ausfassen, sondern wirklich beinahe alle waren so betrunken, dass sie nicht mehr stehen konnten.
Am Montag in der Frueh dann gleich der grosse Schock fuer mich: Waehrend ich mit den Becados vor Unterrichtsbeginn arbeitete, kam eine Frau mit einem Kleinkind ins Buero der Fundación. Leider verstand ich nicht, was sie wollte, da sie nur Quechua sprach. Als dann Gladys von ihrem morgendlichen Kontrollgang zurueckkam, wurde klar, wo das Problem lag: Das Baby war schwerkrank und konnte durch seine Verkuehlung beinahe nicht atmen. Gladys, die ja Krankenschwester ist, gab ihr noch eine Antibiotikumspritze, doch eine Viertelstunde spaeter war es tot. Ich war zutiefst betroffen, da ich zuvor noch nie jemanden sterben gesehen habe und ich wusste, wie leicht dieses Kind in Oesterreich zu retten gewesen waere. Aber diese Ueberlegungnen sind sinnlos, denn ich befinde mich in Bolivien, wo es am Land (nahezu) unmoeglich ist, Zugang zu einer aerztlichen Behandlung zu bekommen.
Am Nachmittag wurde Tomaycuri der "Día del Estudiante" gefeiert, da am Freitag (Fruehlingsbeginn) keine Schule gewesen war. Alle Fruehlingsprinzessinen steckten in ihren besten Kleidern, die beste Schuelerin und der beste Schueler wurden geehrt und zum Schluss wurde sogar Walzer getanzt. Fuer mich allerdings enttaeuschend, da nur ein wenig geschunkelt wurde. ;-) Aber seht selber die Fotos!
Am Dienstag dann schon wieder eine Feier in der Schule: "Bautizos" (Taufen) - sind aber nur ein Scherz. Ein als Priester verkleideter Schueler tauft mit einer ekeligen Fluessigkeit SchuelerInnen, die dann in der Schule einen neuen "Spass"-Namen haben. Interessant ist aber, dass nach der Taufe der Taeufling einen Tanz mit "Gut" und "Boese" auffuehrt und sich entscheiden muss, mit wem er/sie den Platz verlaesst und mit wem er/sie seinen Lebensweg gehen moechte.
Am Mittwoch Nachmittag trat ich dann meine Reise nach La Paz an, da am Donnerstag und Freitag keine Schule abgehalten wurde, weil die LehrerInnen am Donnerstag Fortbildung hatten und - klar -, dass dann am Freitag auch frei ist. Um 2 Uhr morgens, nach ueber 13 Stunden Reise (ab 1 Uhr Nachmittag bis 17 Uhr nach Llallagua und von dort ab 18 Uhr nach La Paz) kam ich dann fix und fertig in La Paz an, wo ich mich nur mehr auf ein Bett freute.
Hier im Haus der Schweitzerin konnte ich fuer zwei Tage den Luxus, der in Europa normal ist, geniessen und mich ein wenig erholen. Ausserdem ist in La Paz auch die einzige Moeglichkeit an Geld von meinem oesterreichischen Konto zu kommen, da es nur hier Bankomaten gibt.
Gestern Nachmittag bestaunte ich besten Pressefotos des Jahres 2006 in der "World Press Foto Exhibiton 2007", die sich zur Zeit in La Paz befindet. Erstaunlich, was man mit einer Kamera alles festhalten kann, aber ihr koennt euch unter http://www.worldpressphoto.org ebenfalls die Fotos ansehen!
Am Abend bin ich mit Andreas, dem anderen Volontaer, in ein Konzert einer Band aus La Paz gegangen. War toll einmal als "Gringo" nicht aufzufallen, da die Besucher fast nur Weisse, und damit Oberschicht, waren. Auch die Musik gefiel mir ganz gut und, da man sogar tanzen konnte, war es beinahe wie ein "Fortgehen" in Oesterreich!
Heute Nachmittag werde ich mich wieder in die flota setzen um nach einer sieben-stuendigen Reise eine Nacht in Llallagua zu verbringen. Am Sonntag geht es dann wieder ab nach Tomaycuri.
Liebe Gruesse,
¡hasta pronto!
Andreas
Hier noch der Link zu den neuen Fotos:
September

Samstag, 22. September 2007

4 Wochen Tomaycuri

¡Hola!
Der woechentliche Lagebericht folgt sogleich:
Letzten Sonntag bin ich mit einem Bus nach Tomaycuri gefahren - ist, fuer Bolivien, komfortabel und kostet fuer uns Europaer fast nichts: fuer 4.5 Stunden Fahrt gerade einmal 2 Euro.
In Macha - eine Stunde vor Tomaycuri - hatte ich ein interessantes Erlebnis: Ich kaufte mir um 1.5 Bolivianos Mandarinen und wollte mit einem 20er-Schein bezahlen. Leider ueberforderte ich damit die Rechenkuenste der Marktfrau und wir hatten eine Diskussion, unterbrochen von Beschimpfungen, dass mit dem Gringos nie etwas passt, ob jetzt noch ein Boliviano fehlt oder doch nicht. Obwohl mir dieser Boliviano nicht wirklich abgegangen waere, habe ich schlussendlich - dank meines ueberzeugendem Spanisch ;-) - gewonnen!
Seit 2 Wochen bereite ich mein Trinkwasser schon mit SODIS zu. Bei dieser Methode wird das Wasser in weissen PET-Flaschen auf das Wellblechdach in die Sonne gelegt. Nach 6 Stunden Sonnenschein sollte alles Schaedliche durch die UV-Strahlen abgetoetet sein. Wer mehr Infos moechte: http://www.sodis.ch/German/index_neug.html Und es funktioniert, denn ich habe keine Probleme mit meinen Magen!
Seit dieser Woche kann ich auch Radio hoeren: Ich bin draufgekommen, dass im Campo alle Programme auf AM (und nicht wie in Oesterreich mit FM) gesendet werden und ich die AM-Antenne nicht angesteckt hatte! Interessant ist nur, dass sich die Empfangsqualitaet der verschiedenen Sender im Laufe des Tages erheblich aendert. Beim Fruestuck kann ich sogar die Ein-Uhr-Nachrichten eines deutschen Senders hoeren, zum Mittagessen empfange ich dann BBC-World-Service und am Abend gibt es dann einen Lokalsender im Angebot. So bekomme ich zumindest ein wenig von der grossen, weiten Welt mit! Ohne Radio wuerde ich wahrscheinlich nicht einmal wissen, wenn es in Bolivien einen Golpe de Estado (Regierungsputsch) gaebe! ;-)
Meine Arbeit mit den Becados schreitet auch gut voran - mittlerweile kann ich auch gut einschaetzen, wieviel ich ihnen zumuten kann und vorallem weiss ich nun, was sie wirlich nicht koennen und was sie nur nicht machen wollen. Die Englischlehrerin unterstuetze ich auch taeglich zwei Stunden. Ausserdem habe ich auch meine ehemalige Englischlehrin und meinen Klassenvorstand um Unterstuetzung in Form von oesterreichischen Englischbuechern gefragt. Und es sieht gut aus!
Am Dienstag kam dann Annette, die Schweizerin, mit einer Kommission nach Tomaycuri. Fundación Pueblo nimmt an einem Wettbewerb ueber paedagogische Verbesserungen in Lateinamerika teil und ist mit ihrem Programm "Hospedaje Estudantil en Familias" (Schueler"internat" in Familien) von 500 Projekten in ganz Suedamerika unter die ersten 20 gekommen. Diese 20 Projekte werden nun noch naeher begutachtet und schlussendlich bekommen die besten fuenf Projekte Geldpreise. Die Kommission bestand aus einer Argentinierin und einer Chilenin und, obwohl sie so schnell und fuer mich auch undeutlich sprachen, verstand ich mich ganz gut mit ihnen und sie waren richtig begeistert von dem Programm. Ich wuensche der Fundación alles Gute und toi, toi, toi, damit sie unter die besten fuenf kommen! Wer sich jetzt naeher mit meiner Organisation, der Fundación Pueblo (Dorfstiftung), befassen moechte, hier noch einmal die Internetadresse: www.fundacionpueblo.org (auch auf Deutsch!)
Zu Abend gegessen habe ich an diesem Tag ein typisches Gericht von hier: Charque de Llama - getrocknetes Llama-Fleisch mit Kartoffeln, Mais und einem gekochten Ei. Echt lecker!
Am Mittwoch raeumte ich endlich meinen Kleiderschrank und baute mir aus einer Steinplatte und Ziegeln noch eine Ablage fuer meine Kochutensilien. Langsam wird es "mein" Zimmer!
Mittagessen war ich im Comedor ("Ausspeisung") der Becados und das war leider ein Fehler: Es gab eine Gemuesesuppe mit Reis (ganz lecker!), aber leider mit Riesenmengen an Chuño, der gefriergetrockneten Kartoffel (hier ein Link zu einem kurzen Artikel darueber: http://bolivien.kilu2.de/lk_chunoTunta.htm), und diese hat fuer mich einfach keinen Geschmack. Kleine Mengen kann ich runterwuergen, aber diesmal blieb trotzdem etwas Schweinefutter uebrig!
Am Donnerstag konnte ich schon wieder nach Llallagua aufbrechen, da ein weiteres Mal am Freitag keine Schule war, weil sich einmal im Monat die LehrerInnen hier ihren Gehalt in der Stadt abholen.
Freitag war dann auch in Llallagua ein interessanter Tag: Erstens war 21.Oktober und somit hier Fruehlingsbeginn. Gefeiert wird er als "Día del Estudiante" (Tag des Schulers) oder als "Día del Amor y de las Enamorados" (Tag der Liebe und der Verliebten). In allen Schulen gibt es Paraden, es werden Fruehlingsprinzessinnen gekuert, die besten SchuelerInnen geehrt und man schenkt seiner/m Liebsten Kleinigkeiten - also fast wie der Valentinstag bei uns. In Tomaycuri wird der "Día del Estudiante" dann einfach am Montag gefeiert, da ja am Freitag keine Schule war. Bin schon gespannt, da die Vorbereitungen schon die gesamte letzte Woche liefen!
Und zweitens war ich das erste Mal auf einem bolivianischen Begraebnis. Aehnlich wie bei uns - der Friedhof ist nur aber sehr verwuchert -, nur das man beim Hinausgehen Chicha (Maisbier - Link: http://de.wikipedia.org/wiki/Chicha_%28Getr%C3%A4nk%29)
) bekommt. Schmeckt gar nicht so schlecht - ich hoffe nur, dass heutzutage der Mais nicht mehr von jemand anderen zuerst gekaut wird! Der erste und letzte Schluck des Getraenks ist aber immer fuer die Pachamama, der wichtigsten Goettin hier, und wird einfach auf den boden geleert. Auch bei langen Autofahrt bekommt die Pachamama an bestimmten Stellen Alkohol geopfert - und leider trinkt oft der Chauffeur den Rest!
Ab naechster Woche habe ich auch in Llallagua ein eigenes Zimmer gemietet - kann es nach einer Schweizer Entwicklungshelferin beziehen, die nun ihren bolivianischen Mann heiratet und zu ihm ziehen wird. Fuer 15 Euro im Monat werden dann der andere Andreas - ebenfalls Volontaer bei der Fundación Pueblo, allerdings nur fuer funf Monate - am Wochenende in diesem Raum hausen. Allerdings haben wir dort warme Dusche, und das ist das Wichtigste nach einer Woche im Campo!
Liebe Gruesse,
bis in einer Woche!
Andreas

Samstag, 15. September 2007

1 Monat Bolivien!

Hallo an alle, die sich in der Kaeseglocke Europa befinden! ;-)

Letzten Sonntag fuhren wir dann wieder mit dem Lehrer ins Dorf - zum Glueck hatte ich dieses Mal einen "normalen" Platz und musste nicht in den Kofferraum. Trotzdem war das Auto natuerlich wieder mehr als ueberladen und mittlerweile weiss ich auch, dass der Platz zwischen Fahrer und Beifahrer, d.h. auf dem Ganghebel, immer zu besetzen ist. In diesem Fall war es der Direktor der Primaria von Tomaycuri, der diesen Luxusplatz innehatte. Die Fahrt war ganz angenehm, nur dass ich am Abend Rueckenschmerzen hatte, da die Autos einfach nicht fuer meine Groesse gebaut sind. Zusatzlich ist mir ein weiteres Mal aufgefallen, dass der "Schutzabstand", den man in Oestterreich normalerweise gegenueber unbekannten Personen einnimmt, hier viel geringer ist. Aber auch kein Wunder, bei dieser Anzahl von Personen in diesem Auto!
Kurz vor Tomaycuri befindet sich Macha, wo letzten Sonntag gerade "Fería" (Messe) war. Ungefaehr wie ein Kirtag bei uns - nur um vieles lauter und bunter. Dort sah ich auch zum ersten Mal echtes Zuckerrohr. Um meine Neugierde zu befriedigen, kaufte ich mir gleich eine ganze 2-Meter-Stange um 0.7 Euro. Mit einer riesigen Machete wird einem die Stange auf handliche Stuecke gekuerzt. Am Abend musste ich dann feststellen, dass es ein harte Arbeit ist, bis man endlich Zugang zum suessen Mark hat. Beinahe haette es Tote gegeben, so geplagt habe ich mich beim Schaelen. Aber die Belohnung ist herrlich - schmeckt wie Vollrohrohrzucker, nur nicht ganz so suess. Der Rest vom Mark wird, nachdem man ihn zerkaut hat, einfach ausgespuckt und von den Schweinen eingesammelt, die diesen "Abfall" ein weiteres Mal kauen und auch wieder ausspucken. Da sagt noch jemand, Schweine seien keine Feinschmecker! Kleine Anmerkung: Am naechsten Tag zeigte mir Gladys, meine "Chefin", wie man die ganze Prozedur ohne Tote hinter sich bringt! ;-)
Am Dienstag war ich dann krank - ein wenig Durchfall und Erbrechen. Nichts Schlimmes, aber von Gladys, die Hilfskrankenschwester ist, haette ich alle moeglichen Tabletten, angefangen gegen Schmerzen bis zu Antibiotikum, bekommen. Ich lehnte dankend ab, da man nicht mit Kanonen auf Fliegen schiesst, aber man sieht, dass am Land einfach geschluckt wird, was gerade verfuegbar ist.
Am Abend brachte sie mir dann noch eine Medizin, die von einer Anfitriona (Gastmutter der Schueler) fuer mich zubereitet worden war: eine ganz duenne Suppe aus Getreide - schmeckte ganz gut und half auch - zumindest war ich am naechsten Morgen genesen.
Mittwoch Nachmittag war dann ein Fest fuer Gesandte der belgischen Botschaft. Diese Leute sind fuer Tomaycuri auch darum so wichtig, da sie im naechsten Jahr ein Hospital, eine Escuela del Campo (glaube, aehnlich einer Berufsschule) und einen Schlachthof fuer Lamas finanzieren werden. Einige Taenze und Musikstuecke wurden in den traditionellen Trachten aufgefuehrt - fuer mich einige interessante Stunden mit vielen Fotos. Ich hoffe fuer euch, dass ich sie bald ins Internet stellen kann. :-)
Uebrigens zu den Fotos: Alle, vor allem die Kinder und Jugendlichen, wollen auf ein Foto. Wenn ich mit der Kamera anruecke, kann ich mich von zukuenftigen Models gar nicht retten! ;-)
Am Donnerstag konnte ich bereits am Nachmittag in Richtung Llallgua aufbrechen, da die Lehrer am Freitag Fussball spielten, und darum kein Unterricht stattfand. Bolivien ist anders, aber, liebe LehrerInnnen in Oesterreich, ihr koennt ja mal eure(n) DirektorIn fragen, ob ihr naechsten Freitag auch frei bekommt! ;-)
Die Reise war dann wieder ein Abenteuer: Zuerst - wie immer - W A R T E N . Um 5 Uhr hatten wir die Hoffnung beinahe aufgegeben, dass wir noch am Donnerstag eine Fahrgelegenheit bekommen wuerden, aber dann kam doch ein Bus vorbei. Wir hatten Riesenglueck, denn dieser Bus fuhr zwar nur bis Macha, aber dort wartete noch die flota (Ueberlandbus) nach Pocoata. Dort wollten wir uns schon ein Schlafgelegenheit suchen, als noch ein Minibus Richtung Llallagua vorbeikam. Dieser war so ueberladen, dass ich meine Fuesse beim Kinn hatte - aber ich hatte zumindest einen Platz im Inneren ergattert, da auch zwei Maenner auf dem Dachtraeger beim Gepaeck mitfuhren. Leider hatte der Fahrer den Motor seines Gefaehrts ein wenig ueberschaetzt und so mussten bei jeder groesseren Steigung mindestens fuenf Personen aussteigen, die Steigung zu Fuss bezwingen und sich danach wieder in den Kleinbus schlichten.
Aber mit nach ueber viereinhalb Stunden kam ich hungrig, durstig und muede in Llallagua an, wo ich wieder im Haus der Schweizerin schlafe. Und ich hatte ein weiteres Mal Glueck: Eine deutsche Praktikantin war gerade aus La Paz angekommen und hatte Vollkornbrot mitgebracht. Eine Wohltat fuer meinen Geschmackssinn, der diese Weissmehlpampe schon nicht mehr schmecken kann! Das naechste Mal werde ich mir Saecke voller Brot von dieser Baeckerei, die ein deutscher Priester mit Strassenkindern fuehrt, mitnehmen!
Am Freitag Abend machten wir, das heisst Veerle, die Belgierin, die deutsche Volontaerin und ich, uns es so richtig gemuetlich: Quinoaauflauf, Rotwein, gute Musik und eine Zeitschrift - was will man mehr! Trotzdem gehen mir viele oesterreichische Sachen ab - auch nach einem Aufenthalt von 1 Monat und einem Tag hier. Vor allem geht ihr mir ab - ihr OesterreicherInnnen!
Liebe Gruesse,
Andreas
PS: Hier der Link zu den Fotos der letzten zwei Wochen:
1 Monat Bolivien

Samstag, 8. September 2007

Woche Nr. 2

Zu Beginn heute ein kleines Schaetzspiel: Wieviele Personen passen in einen mittelgrossen Nissan Chip mit Kofferraum (der nicht sehr gross ist)? Ihr koennt waehrend ihr diesen Eintrag lest, darueber raetseln!
Am Dienstag fuhren Gladys, die Verantwortliche von Tomaycuri, ihre Tochter und ich von Llallagua mit dem Bus nach Tomaycuri - oder zumindest wollten wir bis dorthin. Ein Dorf vorher - in Macha - war dann Schluss: Der Bus fuhr eine andere Route und wir sassen dort fest. Irgendwie hatten wir aber ins Dorf zu kommen und so warteten wir auf irgendeine "Movilidad", das heisst ein Auto oder ein LKW, der nach Tomaycuri faehrt und uns mitnehmen wuerde. So sassen und standen wir mehr als zweieinhalb Stunden am Marktplatz herum, fragten jeden Fahrer nach seinem Weg und hatten schlussendlich doch Glueck: Ein Chip nahm uns mit! Man erkennt daran, dass Zeit in Bolivien eine andere Bedeutung hat - man wartet ohne zu jammern einen halben Tag auf ein Auto, das vielleicht hier vorbeikommt!
Eines werde ich hier sicher lernen: G E D U L D
Interessant war aber die Busfahrt selbst: Vom Schueler bis zur Marktfrau, von der Bauerin, die ihre Hueherkueken in ihr Dorf karrt, bis zum Oesterreicher, der zu seinem Einsatzort fahrt, war alles vertreten und das noch durchmischt mit dem Gepaeck, das ein jeder kiloweise mitschleppt. Eine, fuer mich als Auslaender, beeindruckende Mischung und vor allem ein exemplarisches Abbild der Bevoelkerung Boliviens auf kleinsten Raum!
Am Mittwoch wusch ich das erste Mal meine Waesche im Dorf, natuerlich mit der Hand! Welch anstrengende Arbeit - ich freue mich schon wieder auf die Waschmaschine!
Am Donnerstag wurden dann meine gesamten Kenntnisse auf die Probe gestellt: Ich uebernahm fuer 2 Tage den Unterricht der Quinto in der Primaria (entspricht bei uns 1. Klasse Hauptschule). Doch es geht ganz gut und ich bin beeindruckt, dass ich mit meinen Spanischkenntnissen sogar Dividieren mit 2-stellingen Zahlen erklaeren kann. Aber es dauert alles viel laenger als bei uns und die Schueler sind viel uneigenstaendiger. Ausserdem ist es fuer mich schwierig zu unterscheiden ob sie zu etwas nur keine Lust haben oder es wirklich nicht koennen. Schwieriger ist der Turnunterricht zu bewaeltigen, da mir die Vokabeln fehlen um ein Fussballspiel wirklich kommentieren zu koennen. Also eine kleine Anregung an die oesterreichischen SpanischlehrerInnen, auch Vokabeln zum Sportunterricht-Geben zu lehren! ;-)
Ab naechster Woche werde ich dann - hoffentlich - einen "fixen" Stundenplan haben: Jeden Tag von halb 8 bis halb 9 morgens unterstuetze ich die SchuelerInnen, die bei der Fundación ein Stipendium habe, bei der Hausaufgabe, falls sie welche haben, was ausserst selten vorkommt. Ausserdem mache ich mit ihnen Uebungen zur Rechtschreibung, Mathematik oder was mir einfaellt. Zur Rechtschreibung: Da die Schueler alle Quechua als Muttersprache haben, ist es fuer sie sehr schwierig, sowohl i und e, als auch o und u zu unterscheiden, da es im Quechua fuer jeweils beide Buchstaben nur ein Zeichen gibt.
Dasselbe ist nocheinmal am Abend von 17 bis 19 Uhr mit einer anderen Gruppe zu machen. In der Zwischenzeit werde ich taeglich zwei Stunden die Englischlehrerin unterstuetzen und Turnstunden geben.
Am Freitag gab es in der Frueh eine kleine Attraktion: SCHNEE! Das kommt im Dorf anscheinend nur zweimal im Jahr vor, obwohl wir uns auf ueber 4000 Metern befinden. Aber innerhalb von zwei Stunden ist wieder alles vorueber und es bleibt nur mehr das ueber, das wir im Muehlviertel so schoen mit Gatsch bezeichnen. Auch dieser weicht innerhalb von weiteren zwei Stunden wieder der trockenen Erde.
In der Frueh hielt ich wieder Unterricht in der Quinto und hatte ein weiteres interessantes Erlebnis: Ich hatte den Schuelern am Donnerstag eine Rechnung als Hausaufgabe gegeben und, wie ich erwartet hatte, konnten nur cirka 5 SchuelerInnen die Rechnung vorweisen. Nichts Aussergewoehnliches, oder? Nur das die anderen mir versprachen am Montag als Ersatz Kartoffeln mitzubringen, ist in Oesterreich nicht so alltaeglich!
Nachdem ich den Unterricht und die zwei Englischstunden absolviert hatte, hiess es wieder warten auf ein Auto, dass uns nach Llallagua bringen koennte. Nach drei Stunden Wartezeit fuhren wir zuerst ein Stueck mit dem Schulbus, der fuer mich viel zu niedrig gebaut ist und ich deswegen meinen Kopf schieflegen musste, und danach mit dem Chip eines Lehrers weiter bis nach Llallagua. Und hier kommt auch die Aufloesung der Schaetzfrage: Nicht die normale Anzahl von 5 Personen fuhr mit, sondern insgesamt 15! Davon ich mit 3 Kindern im Kofferraum. Ich hatte zuvor gar nicht gewusst, wie oft ich mich knicken kann! ;-) Im Endeffekt war es nicht so schlimm und wir kamen gut um halb 10 Uhr abends in Llallagua an, wo ich mich sofort zu meiner Unterkunft aufmacht - dem Haus einer Schweizer Familie, wo gerade eine belgische Volontaerin wohnt. Mit ihr tauschte ich dann noch ein wenig Bolivien-Erfahrungen aus, und das sogar auf Deutsch. Dank Erasmus (Studentenaustauschprogramm der EU) hat sie ein halbes Jahr in Wien an der BOKU studiert.
Heute in der Frueh goennte ich mir endlich wieder einmal den Luxus einer warmen Dusche - unter der Woche gibt es ja nur Waschen mit vorher erhitzten Wasser (den Luxus von Warmwasser goenne ich mir!) aus einer kleinen Schuessel. Aber es funktioniert und man ueberlebt! ;-)
Bevor ich morgen um ein Uhr wieder meine dreieinhalb-stuendige Reise nach Tomaycuri antrete, werde ich mich noch mit viel Obst und Gemuese (gibt es am Land fast nicht) und sonstigen Luxussachen (Butter, Marmelade, Honig, usw.) eindecken!
Wuensche euch eine schoene Woche, geniesst Oesterreich und bis zum naechsten Mal,
Andreas

Sonntag, 2. September 2007

Bolivien ist anders!

Zuerst einmal die im letzten Eintrag versprochenen Fotos von der Reise von La Paz nach Llallagua und von der Stadt selbst:
Reise von La Paz nach Llallagua

Am Samstag ging es dann um 5 Uhr frueh los in Richtung Tomaycuri. Eigentlich haetten auch noch 2 Tischler mitfahren soll, aber, wie alles hier in Bolivien, nichts ist fix.
Die Strassen hier sind eine Katastrophe - links der Berg, rechts ein Abhang - aber zum Glueck muss ich nicht selber fahren und Alex, der Chauffeur der Fundación meistert auch die schlimmsten Kurven mit Bravour.
Hier also die Fotos von der Autofahrt:
Reise von Llallagua nach Tomaycuri

Um halb neun begann dann Anettes Fortbildung fuer die Lehrer - Thema: Textproduktion. Als die Lehrer selber einen Text schreiben sollen, dauert es Ewigkeiten und das Ergebnis ist recht mager - dies sind also jene Menschen, die den Kindern etwas lehren sollen. Fuer Bolivien ist es aber schon ein grosser Fortschritt, dass es eine Schule gibt.
Danach beziehe ich mein Zimmer: Es ist noch vollgeraeumt und schmutzig - ich bin etwas geschockt - ich habe es mir schon so aehnlich vorgestellt, aber wenn man das alles - die Armut, die Einfachheit, die Frohheit der Leute und mein einfaches Zimmer - ist man schon sehr geruehrt. Das Mittagessen ist ein typisches bolivianisches Landgericht: Zuerst Suppe mit gefriergetrockneten Kartoffeln und ein Stueck Knochen mit etwas Fleisch, danach Reis mit Gemuesesosse. Das alles wird aber nicht bei Tisch eingenommen, sondern auf einer Stange am Boden und nur mit dem Loeffel (Gabel und Messer zum Essen kennt man am Land nicht) - beinahe komme ich mir vor wie ein Huhn!
Am Nachmittag kommt zusaetzlich ein starker Wind auf. Durch die Trockenheit ist der Boden ausgedoerrt und wird vom Wind ueberall dorthin geblasen, wo man ihn nicht benoetigt: in die Augen, ins Zimmer (die Tueren sind ja nur Eisentueren, die nicht dichten), in die Kleidung oder zu den Lebensmitteln.
Obwohl es in der Nacht kalt ist, schlafe ich dann dank meines Daunenschlafsackes gut.
Am Sonntag geht es mir nicht gut: Von Gladys, der Verantwortlichen der Fundación Pueblo hier im Dorf, erfahre ich, dass ich pro Tag nur zweieinhalb Stunden Arbeit habe: Am Morgen vor der Schule eine Stunde und nach der Schule weitere eineinhalb Stunden Apoyo bzw. Pujllana mit den Becados (Apoyo = Hausaufgabenbetreuung, Pujllana = Spielgruppe, Becados = Schueler, die in den Gastfamilien schlafen und von der Fundación betreut werden). Mir macht vor allem die freie Zeit zu schaffen - was werde ich in diesem Jahr die restlichen Stunden am Tag machen? Im Dorf gibt es ja keine Moeglichkeit, sich irgendwie zu beschaeftigen.
Die Loesung ergibt sich aber im Laufe der Woche: Ich habe nun jeden die schon erwaehnten zweieinhalb Stunden in der Fundación zu tun, zusaetzlich habe ich alle Turnstunden der Schule (12 Klassen im Alter von 6 bis 18 Jahren) zu machen, und werde jeden Tag 2 Stunden die Englisch-Lehrerin unterstuetzten. Zum Englisch-Unterricht: Die Englisch-Lehrerin ist eigentlich selbst Englisch-Lernende und kann kein einziges Wort richtig aussprechen - im Unterricht wird prinzipiell nur Spanisch gesprochen und auch die englischen Saetze werden wie im Spanischen artikuliert. Zusatzlich wird nur Wort fuer Wort ein Satz nach dem anderen aus dem Spanischen ins Englische uebersetzt - mit einem Sprachenunterricht in Oestterreich also nicht zu vergleichen. Meine Aufgabe ist es nun, die Fehler der Lehrerin zu korrigieren und die Saetze Englisch auszusprechen - ich weiss, dass mein Englisch nicht das Beste ist, aber hier kann ich nur etwas verbessern! ;-)
Die Leute im Dorf sind alle nett und sind immer sehr ueber meine Groesse erstaunt. Interessant ist aber, welche Vorurteile noch herrschen: Eine aeltere Frau sprach mich an, und bat mich um Geld, damit sie sich ihre Zaehne richten lassen koennte. Ich sagte, dass ich auch keines haette, aber sie erwiderte mir, dass ich ihr ja die Zaehne auf der Stelle reparieren koennte. Ihr zu erklaeren, dass ich trotz meiner weissen Hautfarbe und meiner Groesse kein Arzt sei, dauerte einige Zeit. Also aufgepasst: Nicht jeder Weisse ist Arzt! ;-)
Am Donnerstag ist Anette mit einer Journalistin der deutschen Botschaft ins Dorf gekommen. Einige der Becados haben einen typischen bolivianischen Tanz aufgefuehrt (den Namen habe ich leider vergessen) und auch wir konnten uns vorm Tanzen nicht druecken --> Fotos spaeter!
Ausserdem habe ich endlich meinen Tisch bekommen. Bis jetzt habe ich meine Mahlzeiten - ich koche meist selber - im Bett mit einem Pappkarton als Tischersatz eingenommen. Am Freitag morgens bin ich dann wieder mit Anette, der Journalistin, dem Chauffeur nach Llallagua gefahren. Von dort weg sollten wir mit einem von der Journalistin organisierten Auto nach Oruro und dann weiter mit dem Bus nach La Paz fahren. Doch da auch sie Bolivianerin ist, hiess es auch diesmal: Nichts ist fix und kein Auto wartete auf. Darauf wollte uns Alex, der Chauffeur, nach Oruro fahren, doch nach zirka 20 Minuten Fahrt streikte der Motor. Zum Glueck liess die naechste flota (Ueberlandbus) nicht lange auf sich warten und mit dieser fuhren wir dann nach La Paz, wo wir erst kurz vor Mitternacht ankamen.
Hier kuriere ich nun meinen Magen aus, da mich Montezumas Rache schlussendlich doch erwischt hat. Doch ich bin zuversichtlich, dass bis morgen, wenn ich um 9 Uhr wieder nach Llallagua und am Dienstag dann weiter nach Tomaycuri fahre, alles wieder besser ist. Wuensche euch eine schoene Woche und bis zum naechsten Mal!
Andreas

PS: Hier noch der Link zu den Fotos:
Tomaycuri