Samstag, 8. Dezember 2007

4 Monate Bolivien - ein Drittel bereits geschafft!

¡Hola a la gente en Austria!

Leider war ich die letzten zwei Wochen faul und konnte mich nicht überwinden, einen Bericht zu schreiben - aber die neuesten Neuigkeiten der letzten drei Wochen:
Als wir am Dienstag, 20. November, mit dem Lehrer ins Dorf fuhren war ich geschockt: Der Sohn des Lehrers, der gleichzeitig auch ein Becado bei uns im Dorf ist, soll liquichado sein. Da zum Haus des Lehrers keiner Zutritt hat, muss es während der Zeit im Dorf bei der "Gastmutter" passiert sein - SCHOCK! Wir haben im Dorf die Fettabsauger! ;-) Zum Arzt oder ins Krankenhaus kann man allerdings mit dieser "Krankheit" nicht gehen, da es dort nur schlimmer gemacht wird. Also wurde ein Wunderheiler befragt, der auch eindeutig die Diagnose stellte: Liquichado - also isst der arme Junge seither nur Suppe von schwarzen (!) Hähnen und Spezialeiern - natürlich eine schweineteure Diät, da die schwarzen Hähne selten sind und dementsprechend teuer. Aber dank dieser Spezialbehandlung ist der Junge am gesunden! Zusatzproblem: Da ja nur die Gastmutter den Schlüssel zum Zimmer hat, muss sie oder ihr Mann es gewesen sein oder sie muss wissen, wer dem armen Jungen das Fett abgesaugt hat. Anscheinend will der Lehrer die Gastmutter nun verklagen! Für mich scheinen die Symptome wie eine normale Magen-Darm-Grippe: Erbrechen und Kopfweh - aber wer weiss: Vielleicht glaube ich nach einem Jahr Aufenthalt hier auch an diese Dinge! :-)
Am Donnerstag jener Woche klopfte es am späten Nachmittag an meiner Tür und während ich noch "Sí" sagte, stand schon ein Mann Mitte 40 bei mir im Zimmer und fragte, ob er sich setzen dürfte. Klar - ich bin doch ein freundlicher Mensch! Doch wieder einmal hatte man mich mit einem Arzt verwechselt, denn er meinte, ich solle ihm doch die Krankengeschichte seines verstorbenen Vaters erklären und er legte mir einen Haufen Kopien der Krankenhausakte auf dem Tisch. Wie soll ich bitte irgendetwas erklären können, wenn 1) es in der Klaue eines Arztes geschrieben ist und 2) das noch auf Spanisch. Ich musste ihn also ungetaner Arbeit wieder wegschicken, aber er kann es, so meine ich, heute noch nicht glauben, dass ich kein Arzt bin.
Am Freitag jener Woche kam dann die Englischlehrerin einfach nicht zum Unterricht - war aber halb so schlimm, denn oft leite ich den Unterricht auch alleine, wenn sie anwessend ist. Anscheinend (oder ziemlich sicher) soll sie am Vortag den Geburtstag eines Kollegen gefeiert haben und das scheint ihr nicht wohlbekommen zu sein. Doch diese Geburtstagsfeier hatte noch weitere Auswirkungen auf meine "Pläne" (wenn man hier zu irgendetwas Plan sagen kann ;-)). Der Lehrer, mit dem wir eigentlich am Abend nach Llallagua gefahren wären, war ebenfalls noch nicht fahrtauglich und so musste ich eben noch bis Samstag Morgen warten. Am Freitag Abend kamen dann dieser Lehrer und seine Frau, ein anderer Lehrer und Gladys, meine "Chefin", auf mein Zimmer, plauderten mit mir und tranken Tee. Doch das Interessantestes war der Gesichtsausdruck, als ich den Lehrern mein Yogur Natural (Yoghurt ohne Fruchtgeschmack und ohne Zucker) kosten liess - warum hat man in solchen Momenten die Kamera nicht bei der Hand! ;-)
Der Lehrer meinte dann, wir fahren morgen (also Samstag) um halb fuenf Uhr morgens weg - also wartete ich ab 4:15 Uhr auf die Abfahrt. Nach zwei Stunden, also um 6 Uhr, starteten wir dann die Reise nach Llallagua. Mittlerweile weiss ich auch die Kilometeranzahl: 115 Kilometer von Llallagua nach Tomaycuri - dauert hier allerdings zwischen fünf und sechs Stunden!
Am Samstag Abend traffen wir, dh. Andreas und ich, noch zwei Touristen in Llallagua - ein Attraktion! Mit ihnen gingen wir dann noch ein Bier trinken und plauderten über ihre Reise. Er ist Ire und sie Französin und reisen seit mittlerweile fast einem Jahr in der Weltgeschichte herum. Da er nur wenig Spanisch sprach, fand unsere Unterhaltung auf Englisch statt - das einzige Problem ist nur, das mir am Anfang immer wieder spanische Begriffe reinrutschten, aber nach einer halben Stunde Unterhaltung (und einem Bier) ging es dann schon wieder recht flüssig.
Wieder im Dorf angekommen, kam am Montag die E-Lehrerin wieder einmal nicht zum Unterricht - hatte eine Besprechung mit dem Direktor. Mit dem Ergebnis dieser Besprechung bin allerdings auch ich sehr zufrieden: Sie wird auch nächstes Jahr in Tomaycuri bleiben, was ich super finde, da ich mich mit ihr gut verstehe, allerdings finde ich den Grund ein wenig komisch: Der Direktor möchte nicht, dass eine Englischlehrerin mit Ausbildung an seine Schule kommt, weil ja dann die SchülerInnen endlich einmal etwas lernen müssten. Aus diesem Grund darf ich auch die Tests nicht bewerten, da bei mir die Noten um einiges schlechter ausfallen würden - aber dank der Nachsicht der "Englisch-"Lehrerin sind heuer alle in Englisch durch.
Auch die "Miete" für mein Luxuszimmer in Tomaycuri habe ich bezahlt: die Hälfte der Stromkosten - macht für 4 Monate 5.2 Euro. So billig werde ich nie wieder wohnen können! :-)
Noch einige Anmerkungen zum Wetter: Zur Zeit regnet es im Dorf jeden Tag. Meistens ist es so, dass am Vormittag herrlicher Sonnenschein ist und am Nachmittag ein Gewitter UND mehrere kurze Regenschauer vorbeikommen. Für diese Jahreszeit ist das hier normal, da wir uns am Beginn des Sommers, also der Regenzeit, befinden. Pluspunkt: weniger Staub; Minuspunkt: Matsch, Matsch, Matsch
Am Freitag vorletzter Woche bekamen die SchülerInnen in die Tomaycuri ihren "Bono Juancito Pinto". Das heisst: Jede(r) SchülerIn von der ersten bis zur sechsten Klasse, der die Schulstufe abgeschlossen hat, bekommt 200 Bol (ca. 20 Euro) in die Hand damit er - hoffentlich - die nächste Klasse besucht. 200 Bol sind am Land relativ viel - so beläuft sich der Beitrag der Eltern für ein Jahr als Becado im Programm der Fundación Pueblo auf ca. 130 Bol - der Rest wird von der Bezirksverwaltung und von der Fundación Pueblo bezahlt.
Letztes Wochenende war leider das letzte mit Andreas in Llallagua - er wird nach der Arbeit in La Paz nicht mehr ins Campo zurückgehen. Das musste natürlich anständig gefeiert werden - zuerst Charquekan essen (getrocknetes und dann gebratenes Fleisch, Mais, zwei Eier und Kartoffeln) und dann noch Bier trinken gegangen. Interessant fand ich, dass hier die Bars zum Grossteil bereits um halb 12 abends zu-(!)sperren.
Am Sonntag wollten wir dann mit der 10-Uhr-Flota ins Dorf fahren - nur leider war diese, die normalerweise erst um 11 fährt, an jenem Tag bereits um 9:30 Uhr abgefahren. Ob wir die Buskosten (immerhin 15 Bol = 1.5 Euro) wieder zurückbekommmen ist eine andere Frage, aber wir haben zumindest reklamiert). Wir fuhren dann am Nachmittag mit einem Lehrer nach Tomaycuri. Dabei kamen wir zu einem Autounfall - ein Geländewagen war auf gerader Strecke in den Graben gerutscht und umgekippt - warum wohl? Natürlich war der Fahrer betrunken, was hier meist die einzige Unfallursache ist! Mit drei Seilen wurde das Auto wieder auf seine vier Räder gestellt. Pech fuer mich - genau das Seil, an dem ich zog, riss ab und der Besitzer meinte, der Gringo (wer sonst!) soll es bezahlen. Momentan war ich so wütend, dass ich ihm am liebsten alle Schimpfwörter, die ich mittlerweile auf Spanisch kann, an den Kopf geworfen hätte - ich schwieg aber nur und drehte mich um und dachte mir - Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.
Im Dorf endet nächsten Dienstag dieses Schuljahr und so war die letzte Woche von Prüfungs-"Stress" geprägt. Aus diesem Grund lernte ich mit den Becados aus ihren Heften - das einzige Problem ist, dass, wenn sie einen, vom Lehrer mit Antworten diktierten, Fragenkatalog haben, es bei fünf Becados sieben verschiedene Antworten in den Heften gibt. Also war der Grossteil der Arbeit die Fragen und Antworten zu syncronisieren und dann noch ein wenig zu lernen. Zusätzliches Problem: Ich stelle eine Frage - keiner weiss die Antwort - ich erkläre die Antwort und stelle die gleiche Frage nochmal - SCHWEIGEN!!! Oft ist es dann ein wenig ermüdend und nervenauftreibend!
Fortsetzungsgeschichte "Meine Zimmermaus": In dieser Woche habe ich endlich Nahrung fuer mein Zimmermäuschen gefunden, die sie sogar von der Mausefalle runterfrisst: Schinkenwurst. Jeden Morgen bekommt sie wieder ein Stückchen auf die Mausefalle und über Nacht frisst sie brav ihre tägliche Ration. Allerdings will sie sich nicht fangen lassen. Trotzdem habe ich schon eine "Beute" gefangen. Am Donnerstag kam Najaira, die Tocher meiner Encargada, in mein Zimmer und fragte was das (Mausefalle) sei. Ich schrie nur "NO", aber es war schon zu spät und sie präsentierte mir die Mausefalle an ihrem Finger baumelnd. Doch dank einem Plaster und ein wenig Creme war der Schmerz schnell wieder vergessen.
Diese Woche fuhren wir bereits am Donnerstag nach Llallagua, da Gladys noch ihren Bericht für November schreiben und ich den 4-Monatsbericht für Österreich fertigstellen musste. Allerdings war die Reise wieder einmal mehr als spannend: Bis Pocoata ging alles gut - ausser, dass eine Frau im Bus einen Kanister voller Speiseöl umgeleert hatte und darum alle durch den Bus rutschten und dass wir natürlich wie immer Ewigkeiten auf eine Fahrgelegenheit warteten. Zuerst schien es so, dass wir in Pocoata übernachten müssten, allerdings kamen dann noch andere Fahrgäste und wir überredeten einen Fahrer eines Kleinbuses uns doch noch nach Llallagua zu fahren. Zirka eine Stunde vor Llallagua war dann Schluss - Batterie leer. Der Fahrer meinte nur: Bis hierher und nicht weiter! Zum Glück kam aber ein Auto, dass uns die Batterie zum Starten lieh und wir konnten weiterfahren. Allerdings mussten wir Strom sparen und konnten deswegen das Licht nicht anmachen. Halb so schlimm, denkt sich der Bolivianer, und fährt mit dem Licht zweier Taschenlampen!
Um halb 12 Uhr abends stand ich dann vor der versperrten Tür des Hauses in dem sich mein Zimmer befindet. Die Tür war leider nicht nur versperrt sondern zusätzlich noch fünffach verriegelt - also war mit dem Schlüssel nichts zu machen. Allerdings öffnete auch nach Klingeln, an-die-Tür-Hämmern, Schreien, Steine-ans-Fenster-Werfen, ... keiner. Sogar die Nachbarin kam mir zur Hilfe und schrie sich die Seele aus dem Leib. Nach einer halben Stunde öffnete sich ein Fenster und das verschlafene Gesicht meiner Vermieterin kam zum Vorschein. "Ach, habe ich gut geschlafen. Ich habe gar nichts gehört!" Gut, aber immerhin konnte ich in meinem Zimmer schlafen!
Gestern arbeitete ich im Büro hier in Llallagua und stellte meinen 4-Monatsbericht für das österreichische Innenministerium fertig. Wer Interesse hat, kann sich den Bericht unter diesem Link downloaden: http://docs.google.com/Doc?id=df3gxjpd_9rsw6mff4
Für mich heisst es morgen das letze Mal für 2007 ins Dorf zu fahren - am Donnerstag werde ich hoffentlich rechtzeitig in Llallagua ankommen um gleich noch nach La Paz weiterzureisen, wo ich dann für zwei Monate wohnen und arbeiten werde. Freue mich schon auf täglichen Internetzugang und wirklich warmer Dusche - ausserdem kennt man in der Grossstadt einen Gringo und man fühlt sich als Weisser nicht immer wie eine Zirkusattraktion.
Wünsche euch das Beste für die kommende Woche!
Liebe Grüsse,
Andreas

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